Wege aus der Personalnot: Einblick in die Strategie einer Großpraxis
Der Fachkräftemangel in den Zahnarztpraxen ist groß. Ebenso groß ist die Verunsicherung vieler Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber, die sich fragen, über welche Kanäle und mit welchem Vorgehen es ihnen gelingen kann, das dringend benötigte neue Personal anzuwerben. Dr. John Jennessen ist Gründer und Mitinhaber der erfolgreichen Großpraxis "Zähne" in Neuss - und des Start-Ups "MedMagnet". Im Interview gibt Einblicke in seine erfolgreiche Personalstrategie und zeigt smarte Ansätze zur Personalsuche auf.
Dr. John Jennessen im Interview
Redaktion Henry Schein MAG: Der Fachkräftemangel in der Dentalbranche ist für die meisten Praxen sehr konkret spürbar. Welche Strategien sind für die Personalgewinnung im Dentalbereich besonders effektiv?
Dr. John Jennessen: Grundsätzlich ist es leider so, dass die Praxen häufig gar keine richtigen Strategien zur Personalfindung haben. Die Inhaber setzen auf sporadische Stellenanzeigen, wenn der Bedarf dingend ist, oder warten passiv auf Bewerbungen. Beides sorgt höchstens punktuell für Abhilfe.
Größere Praxen engagieren nicht selten Berater, um eine eigene Employer-Branding-Strategie zu entwickeln, Videos und anderen Content zu produzieren, und Kampagnen in verschiedenen digitalen Kanälen zu spielen. Das kann durchaus funktionieren – aber eine Kampagne ist deutlich teurer als eine Stellenanzeige und kann zwischen 9.000 und 15.000 Euro kosten. Das können sich nicht viele Praxen leisten.
Wir motivieren gezielt zufriedene Patienten und Mitarbeiter, um unsere Praxis als Arbeitgeber bekannt zu machen. Das machen wir, indem wir auch in der Praxis offensiv kommunizieren, dass wir Personal suchen.
Zusätzlich präsentieren wir uns online sehr umfassend als Arbeitgeber und zeigen unser Team, unsere Ausstattung und unsere Räumlichkeiten.
– Dr. John F. Jennessen
Mitinhaber der Gemeinschaftspraxis ZÄHNE in Neuss.
Wenn es aber darum geht, wie man weniger attraktiven Praxen helfen kann, Personal zu finden, bin ich ehrlicherweise sehr skeptisch. Wer als Praxisinhaber zu diesem Schluss kommt, muss umdenken und fragen, warum das Personal die eigene Praxis nicht attraktiv findet, und, noch wichtiger: Warum die eigenen Leute nicht bleiben. Und dann handeln.
Denn die Personalbindung ist das Schlüsselelement einer jeden Personalstrategie. Zufriedene Mitarbeiter bleiben – so muss weniger neues Personal gesucht werden. Zugleich sind zufriedene Mitarbeiter der wichtigste Indikator für ein positives Image. Und das kann man dann nach außen auch gut darstellen.
Sie führen gemeinsam mit zwei Kollegen eine sehr große Praxis mit 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Nähe von Düsseldorf. Welche Kanäle nutzen Sie, um sich als Arbeitgeber zu positionieren?
Der beste Weg, den ich im Bereich Personalsuche kenne, ist die Mund-zu-Mund-Propaganda. Genau das hat sich in unserer Praxis als sehr erfolgreich erwiesen. Wir motivieren gezielt zufriedene Patienten und Mitarbeiter, um unsere Praxis als Arbeitgeber bekannt zu machen. Das machen wir, indem wir in der Praxis offensiv kommunizieren, dass wir Personal suchen - über Flyer und Bildschirme, und sogar über Beileger im Schriftverkehr mit Patienten.
Zusätzlich präsentieren wir uns online sehr umfassend als Arbeitgeber und zeigen unser Team und unsere Räumlichkeiten. Dazu nutzen wir das Portal MedMagnet, das ich neben meiner Tätigkeit als Zahnarzt mit aufgebaut habe (siehe Kasten unten, Anmerkung der Redaktion), als eine Art Schaufenster für unsere Praxis. Das Portal ist so konzipiert, dass wir alle Aspekte unserer Praxis zeigen können, die für Arbeitnehmer relevant sind. Das verschafft uns die Möglichkeit, ohne großen Aufwand und ohne hohe Kosten ein dauerhaftes Profil zu erstellen, und auch weiteren Content zu teilen. Also zum Beispiel Videos von gemeinsamen Abenden mit dem Team, oder Bilder von den Arbeitsplätzen und der Ausstattung der Praxis. Zusätzlich schalten wir auf der Plattform auch Stellenanzeigen.
Diese Strategien haben zu einem guten Zulauf an Bewerbungen auf unsere Stellenanzeigen und einem Anstieg bei den Initiativbewerbungen geführt.
Über MedMagnet
MedMagnet hat sich auf die Positionierung von Zahnarztpraxen im Arbeitsmarkt spezialisiert. Das Problem des Fachkräftemangels wird hier strukturiert und auf neue Art angegangen: Jede Praxis kann sich ohne großen Aufwand ein Profil erstellen, das für potenzielle Bewerber dauerhaft sichtbar ist. Zusätzlich können Stellenanzeigen veröffentlicht werden. Die Plattform ist in den Kernfunktionen kostenlos. Auch Anzeigen für Famulatur-Stellen und Ausbildungen sind stets kostenfrei.
Die Jobsuchenden finden alle für sie relevanten Informationen über eine Praxis übersichtlich dargestellt und können so einen genauen Einblick in das neue Arbeitsumfeld bekommen. Die Hürden für Bewerber werden dabei sehr niedrig gehalten. Auch Quereinsteiger werden gezielt angesprochen.
MedMagnet - Die Lösung, die Jobs in der Zahnmedizin attraktiv macht und dauerhaft erfolgreich vermarktet.
Aber diese Strategie funktioniert nur, weil Ihre Praxis für Mitarbeiter sehr attraktiv ist. Welche Empfehlungen haben Sie für Kollegen, die ihre Zahnarztpraxis in diesem Bereich verbessern und die Mitarbeiterbindung erhöhen wollen?
Es gibt eine Menge Ansätze, wie ich als Inhaber, als Vorgesetzter, die Mitarbeiterbindung erhöhen kann: Indem ich mit allen auf Augenhöhe kommuniziere, indem ich Entwicklungsmöglichkeiten anbiete und bespreche, indem ich aber auch bei der Vergütung ein angemessenes Niveau biete. Es geht um Prozesse wie regelmäßige Mitarbeitergespräche, aber noch mehr um eine Haltung, bei der die Arbeitnehmer wissen, dass sie sich auf mich verlassen können, auch in schwierigen Situationen.
Wir müssen als Arbeitgeber aus meiner Sicht auch mit flexiblen Arbeitszeiten attraktiv sein. Wir müssen damit glänzen, dass die Mitarbeiter immer wieder zu uns zurückkommen können, auch wenn sie Kinder bekommen haben, auch wenn sie nur in Teilzeit arbeiten. Denn Mütter sind super Arbeitnehmer, wenn die wieder in die Praxis einsteigen. Vielleicht kommen sie mit relativ wenigen Stunden in der Woche, vielleicht sind sie häufiger krank, aber sie bringen auch viel Power und Leistungsbereitschaft mit - und in der Regel genau die Arbeitserfahrung, die wir ja brauchen in den Praxen.
Und es geht darum, gemeinsam mit dem Team eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Zahnarztpraxen sind kleine Unternehmen, wir können keine Incentives bereitstellen wie Amazon und Google. Aber die Arbeitsatmosphäre kann bei uns dafür deutlich familiärer sein. Dabei geht es um die persönliche Bindung, aber auch die Bedeutung des einzelnen Mitarbeiters – In einer Zahnarztpraxis können die Mitarbeiter direkt mit dem Chef zusammenarbeiten, direkt an Unternehmensentscheidungen teilhaben. Diese Relevanz des einzelnen ist, glaube ich, ein enorm wichtiger Faktor für die Mitarbeiterbindung.
Welche Rolle spielt Vielfalt für eine erfolgreiche Personalstrategie?
Eine sehr große. Es geht darum, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch Personen mit untypischen Werdegängen oder aus anderen Branchen zu integrieren.
In unserer Praxis haben wir beispielsweise erfolgreich Quereinsteiger aus der Hotellerie und sogar Rentner eingestellt, die wertvolle Beiträge leisten, besonders in der Kommunikation und im administrativen Bereich. Diese Strategie ermöglicht es uns, den Mangel an zahnmedizinischem Fachpersonal effektiv zu umgehen und gleichzeitig eine dynamische und erfahrene Belegschaft aufzubauen.
Wir nutzen gezielte Ansprachen und zeigen, dass eine Tätigkeit in unserer Praxis attraktiv sein kann – auch für diejenigen, die ursprünglich nicht aus dem zahnmedizinischen Bereich kommen. Dies eröffnet uns Zugang zu einem breiteren Bewerberpool und hilft uns, wichtige Positionen mit kompetenten Mitarbeitern zu besetzen, die frischen Wind, Lebenserfahrung und Ruhe ins Team bringen.
Indem wir die Vielfalt im Personal fördern, erweitern wir nicht nur unsere eigene Perspektive, sondern tragen auch dazu bei, den Berufsstand insgesamt zu bereichern. Jede neu gewonnene Kraft, die bei uns Erfahrung sammelt, steht letztlich auch der gesamten Branche zur Verfügung und bringt so neuen Schwung - in den Arbeitsmarkt und in den Arbeitsalltag in den Praxen.
Haben Sie noch einen konkreten Tipp für unsere Leser, um die eigene Personalsuche zu verbessern?
Was bei uns supergut funktioniert hat: Wir haben unsere Leute beim Erstellen neuer Stellenanzeigen eingebunden und sie gefragt: „Wie würdest du versuchen, neues Personal in die Praxis zu bekommen? Was würdest du schreiben, in einer Stellenanzeige?“ Da haben natürlich nicht alle mitgemacht, aber einige Mitarbeiterinnen fanden die Frage spannend. Sie habe ich gebeten, dass sie einmal aufschreiben, wie sie die Vorteile unsere Praxis darstellen würden, welche Themen sie wichtig finden - einfach in ein paar Stichpunkten.
Und das hatte dann gleich zwei positive Auswirkungen: Die Stellenanzeigen wurden für die Zielgruppe relevanter. Und die Mitarbeiter haben gemerkt, dass ihre Erfahrung und ihre Sichtweise für die Praxis von Bedeutung sind. Genau in solchen Bereichen können wir als Praxisinhaber immer wieder punkten: indem wir das Wissen und die Perspektiven unserer Mitarbeiter ernst nehmen und auf allen Ebenen integrieren - und ihnen so Relevanz in wichtigen Aufgabenfeldern geben.
Vielen Dank für dieses Interview, Dr. Jennessen