digitale Totalprothetik guide

Digitale Totalprothetik – Vorteile und Verfahrensweisen

Kategorie: Digitales Labor
In der Totalprothetik eröffnen digitale Lösungen neue Möglichkeiten. Der Beitrag fasst Vorteile für Labor und Zahnarzt zusammen und nennt aktuelle Verfahren und Systeme.

Hier ein Klick, da ein Klick und fertig ist die digitale Totalprothetik? Ganz so einfach ist es in der digitalen Fertigung leider nicht. Aber der Blick auf aktuelle digitale Konzepte lohnt sich.

Denn mit neuen Ansätzen zur Totalprothetik wird in Sachen digitaler Workflow der nächste große Schritt gemacht. Bei einigen prothetischen Arbeitsteams ist der digitale Workflow für Vollprothesen fester Bestandteil und andere beobachten noch. Die digitale Prothese ist auf jeden Fall eine relevante Thematik, deren Umsetzung es zu beobachten gilt. 

Inhaltsübersicht

Vier gute Gründe für die digitale Vollprothetik

Um den Reiz des digitalen Workflows in der Totalprothetik zu erkennen, ist der Vergleich mit dem konventionellen Weg aufschlussreich.

1. Niedriger Zeitaufwand für digitale Prothetik 

Im analogen Vorgehen ist das Herstellen einer Totalprothese zeitaufwendig. Es sind mehrere klinische Sitzungen notwendig (Abformung, Bissnahme, Einprobe, Eingliederung).

Oft wird für Patienten gearbeitet, deren Mobilität eingeschränkt ist. Für diese Menschen bedeutet ein vereinfachter digitaler Workflow einen hohen Komfort. Im digitalen Workflow (CAD/CAM) kann die Prothese in einem deutlich reduzierten Zeitaufwand realisiert werden. 

2. Digitale Fertigung der Vollprothese senkt Kosten 

Kennen wir alle; die Diskussion, ob sich bei der fachgerechten Fertigung einer Totalprothese Kosten und Aufwand in der richtigen Relation bewegen.

Insbesondere für einfache zahnlose prothetische Fälle wird der Wunsch nach finanzierbaren Lösungen laut. Mit digitalen Technologien können Kosten und Aufwand minimiert werden. Die Effizienz im Arbeitsalltag wird erhöht. 

3. Passung, Biokompatibilität, Reproduzierbarkeit 

Die CAD/CAM-gefertigte Prothesenbasis ermöglicht eine perfekte Passung. Durch die industrielle Fertigung der konfektionierten Blanks (z. B. für die Prothesenbasis) gibt es keine Polymerisationsschrumpfung und kaum Restmonomer

Sympathisch: Durch das Speichern des Prothesendesigns ist jederzeit eine schnelle Reproduktion möglich, z. B. für ein Prothesenduplikat oder eine Reiseprothese. 

4. Totalprothetik wird durch Digitalisierung attraktiver 

Totalprothetik ist ein stiefmütterlich behandeltes Thema. Junge Zahntechniker für diese Arbeit zu motivieren, ist schwierig, auch aufgrund der niedrigen Vergütung über die GKV. Oft wird die Kunststoffabteilung durch andere Bereiche im Labor „subventioniert“.

Dies kann sich mit der Digitalisierung ändern. Totalprothetik wird attraktiv, denn CAD/CAM macht Spaß, ist nicht so mühselig, sauberer und effizienter. 

Konventionelle vs. digitale Fertigung

Für einen umfassenden Vergleich der digitalen mit der konventionellen Fertigung und einer Erläuterung der wichtigsten Vo- und Nachteile der Fertigungsarten empfehlen wir den Beitrag:

Konstruktion und Fertigung: Zahntechnische Verfahrensweisen

Es gibt unterschiedliche zahntechnische Verfahren bei der Konstruktion und Fertigung von Vollprothesen per CAD/CAM. Differenziert werden kann wie folgt: 

  • Einteilige Fertigung (Monoblock): Die Prothese wird aus einem Stück (monolithisch) gefertigt. Die Herstellung erfolgt volldigital (CAD/CAM-Fräsen, 3D-Drucken).  
  • Zweiteilige Fertigung: Prothesenbasis und Zahnkranz werden separat erstellt (CAD/CAM-Fräsen, 3D-Drucken) und anschließend beide Teile miteinander verfügt (manuell).  
  • Mehrteilige Umsetzung: Die Prothesenbasis wird maschinell gefertigt (CAD/CAM-Fräsen, 3D-Drucken) und präfabrizierte Zähne werden eingearbeitet (manuell). Systemabhängige Unterschiede: Bei einigen Systemen ist das basale Beschleifen der Konfektionszähne (CAD/CAM) notwendig. Bei anderen Systemen wird durch spezielle, präfabrizierte Prothesenzähne darauf verzichtet.  

Jede der genannten Verfahrensweisen hat Vor- und Nachteile. So ist beispielsweise beim mehrteiligen Verfahren mit präfabrizierten Zähnen eine gewohnte Anprobe im Mund des Patienten möglich. Im volldigitalen Vorgehen (Monoblock oder Zahnkranz) sind dem Zwischenschritt einer Anprobe klare Grenzen gesteckt. Dafür kann jedoch die Fertigung der Totalprothese in nur wenigen Schritten erfolgen.  

Klinische Arbeitsschritte

Bei den meisten Verfahren ist der Weg zur digitalen Prothese „teilanalog“. Die klinischen Arbeitsschritte in der Zahnarztpraxis sind vielfach unverändert. Viele der aktuellen Verfahren berücksichtigen die bewährten klinischen Abläufe; das Vorgehen in der Zahnarztpraxis bleibt unberührt von der digitalen Fertigung im Labor. Andere Verfahren hingegen erfordern eine neuartige Abformungs- und Registrationstechnik.  

Konventionelle Abformung oder Intraoralscanner – beides ist möglich. Die Digitalisierung der Daten erfolgt über das Scannen der Mundsituation, der Abformung oder des Modells. Um Funktionsabformungen und Bissregistrate zu digitalisieren, müssen die anatomischen Modelle in korrekter Kieferrelation digitalisiert werden. Hierfür bedarf es eines entsprechenden Modellscanners. Ein Beispiel ist von 3Shape der E4-Scanner. Eine moderne Intraoralkamera ist beispielsweise die Primescan von Dentsply Sirona. 

Zahntechnische Arbeitsschritte

Bei der Fertigung unterscheidet sich der Workflow je nach Anbieter. Beispiele sind Wieland Digital Dentures (Ivoclar Vivadent), VIONIC (VITA Zahnfabrik), AvaDent Digital Denture-System (Global Dental Science), Baltic Denture-System (Merz Dental) oder Whole You Nexteeth.

Zudem stehen offene CAD-Software-Anwendungen bereit, wie z. B. die Software Dental Design von 3Shape. Je nach Verfahren werden für die digitale Totalprothetik Software, CAD/CAM-Fräseinheit und/oder 3D-Drucker benötigt.

CAD der digitalen Totalprothetik

Die CAD-Konstruktion erfolgt im Prothetik-Modul (herausnehmbarer Zahnersatz). Aktuell gibt es beispielsweise die Lösungen von 3Shape (Removable Denture Design) und exocad (FullDenture Modul). Beide Module sind als Stand-Alone-Version verfügbar.

Für die digitalen Aufstellungen werden die CAD-Zahnbibliotheken – Herzstück der digitalen Prothese – von Materialpartnern (Zahnhersteller) konfiguriert. In der Software hinterlegt sind in der Regel keine Einzelzähne, sondern in Okklusionsbeziehung stehende funktionelle 28er. Die Software greift auf eine idealisierte Aufstellung in der Datenbank zurück. Adaptionen je nach klinischer Situation sind in der Software möglich.

CAM der digitalen Totalprothetik 

Für die digitale Fertigung der Vollprothesen eignen sich sowohl CAD/CAM-Fräsmaschinen als auch der 3D-Druck. Eine abgestimmte Materialkombination für komplette Vollprothesen aus dem 3D-Drucker wird beispielsweise von Formlabs für den Drucker Form 3B angeboten. Aber auch andere Druckharze für die Totalprothetik sind verfügbar. Hier lohnt es sich, die aktuellen Entwicklungen im Bereich der 3D-Druckmaterialien zu beobachten. 

Die digitale Prothese kann gefräst oder gedruckt werden. Zudem lassen sich beide Fertigungsarten kombinieren.  

  • Prothesenbasis: Validierte Frästemplates bieten optimierte Fräsprozesse und hohe Qualität in überschaubarem Zeitrahmen.  
  • Zahnkranz: Bei einigen Verfahren wird der Zahnkranz aus entsprechenden Blanks gefräst. Der 3D-Druck des Zahnkranzes ist technisch möglich, jedoch limitieren aktuell die Materialien. 
  • Anprobe (Try-in): Fräsen und 3D-Druck – das Try-in (Prothesen-Anprobe) kann auf beiden Wegen gefertigt werden (Monoblock). Alternativ kann die Basis aus einem Wachsblank gefräst und mit präfabrizierten Zähnen versehen werden. 

Materialien für die digitale Totalprothetik

Für die einteilige Verfahrenstechnik (Monoblock) werden konfektionierte PMMA-Blanks verwendet, was das Verfahren unglaublich wirtschaftlich werden lässt. Allerdings erlauben gefräste Zahnreihen (Block) oft nur eingeschränkte ästhetische Möglichkeiten. Auch beim zweiteiligen Verfahren können die lichtoptischen Eigenschaften der Materialien für den Zahnkranz (PMMA-Materialien) limitiert sein.

Beim mehrteiligen Verfahren wird mit konfektionierten Zähnen gearbeitet, die in die digital gefertigte Prothesenbasis eingeklebt werden. Zwar kann der Aufwand etwas höher sein, doch mit hochwertigen Zähnen lassen sich hervorragende ästhetische Eigenschaften erzielen. Beispiel ist der Prothesenzahn VITA VIONIC (VITA Zahnfabrik), der speziell für die digitale Totalprothetik konzipiert worden ist. Auch andere Hersteller bieten entsprechende Konfektionszähne für die digitale Prothese an, z. B. Merz Dental, Kulzer. Oft müssen diese Zähne von basal nachgeschliffen werden, was mit einem speziellen Frame in Amann-Girrbach-Fräsmaschinen möglich ist.

Für das Fräsen der Prothesenbasis gibt es gingivafarbene PMMA-Blanks. Für das Drucken stehen verschiedene lichthärtende Materialien zur Verfügung.

Digitale Totalprothetik: Status Quo und Perspektiven

Der Status Quo in der Totalprothetik

Ist die digitale Totalprothetik auf dem Vormarsch? Klar ist, immer mehr Zahnärzte und Zahntechniker denken um. Sie erkennen die Vorteile und denken über zusätzliche Indikationen der digitalen Fertigungstechnologien nach. Es ist eine Tendenz in Richtung digitale Totalprothetik erkennbar.

Großer Vorteil des digitalen Prozesses ist die industrielle Fertigung der Rohlinge für die Prothesenbasis. Polymerisationsschrumpfung und Passungsungenauigkeiten gehören so der Vergangenheit an. Der digitale Fertigungsprozess lässt auch vermuten, dass der Restmonomergehalt geringer ist. Zudem ist beim digitalen Vorgehen die Gesamtbehandlungszeit verkürzt und eine effiziente Reproduzierbarkeit (z. B. Zweitprothese) gegeben.

Perspektiven der digitalen Totalprothetik

Nach und nach wird sich diese Technologie in Praxis und Labor schrittweise durchsetzen; vielleicht nicht für alle, aber für viele Fälle. Anwender und Patienten berichten über gute Ergebnisse und eine deutlich verkürzte Behandlungszeit. Die Hersteller entwickeln CAD/CAM-Prozesse für die Totalprothetik immer weiter und optimieren die Prozesse.

Doch trotz digitaler Technologien und intelligenter Algorithmen gilt: Die bewährten prothetischen Grundlagen hinsichtlich Statik, Funktion und Ästhetik haben Bestand. Zahnärzte und Zahntechniker sind gefordert, neuen Technologien einerseits offen gegenüberzutreten und andererseits diese kritisch zu begutachten.

Annett Kieschnick, freie Fachjournalistin

vom 01.12.2021
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