Praxisübergabe in der Familie: Tipps für einen guten Übergang
Carola Jungwirth begleitet seit vielen Jahren Familienunternehmen beim Generationswechsel und berät sowohl zu den sachlichen als auch den emotionalen Fragestellungen und Dynamiken der Unternehmensnachfolge. In unserem Interview spricht sie über typische Fehler bei der Übergabe an den eigenen Sohn oder die eigene Tochter – und über Schlüsselstrategien, wie Praxisabgeber diesen Übergangsprozess in der eigenen Familie erfolgreich und harmonisch gestalten können.
Die Regelung einer internen Nachfolge ist ein komplexer Prozess. Gerade weil es in dieser Konstellation eine Gemengelange zwischen Privatem und Beruflichem gibt, ist eine offene und ehrliche Kommunikation innerhalb der Familie entscheidend.
– Carola Jungwirth
Nachfolgebraterin für Familienunternehmen.
Frau Jungwirth, Sie haben in Ihrer Arbeit viele unterschiedliche Unternehmen und vermutlich auch Konflikte kennengelernt. Gibt es typische Fehler der abgebenden Generation, die Sie bei innerfamiliären Unternehmensnachfolgen beobachten?
Ja, das habe ich. Auch wenn jede interne Nachfolge sehr individuell ist, weil jede Unternehmerfamilie und ihre Konstellation auf ihre Art einzigartig ist, gibt es bei Übergaben innerhalb der Familie einige typische Stolpersteine oder Missverständnisse, die dabei für die übergebende Generation auftauchen können. Für inhabergeführte Unternehmen wie Zahnarztpraxen würde ich die folgenden Aspekte nennen:
Zuallererst die mangelnde oder unklare Kommunikation über die Nachfolge im Familienunternehmen. Die anstehende Übergabe wird oft zu spät oder gar nicht im Familienkreis thematisiert, die gegenseitigen Erwartungen werden unzureichend formuliert.
Schwierig wird es auch, wenn die konkrete Planung der Nachfolge hinausgezögert wird. Gerade bei inhabergeführten Unternehmen kann das an der fehlenden Bereitschaft der abgebenden Generation liegen, das eigene Lebenswerk wirklich loszulassen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
Neben der fehlenden Kommunikation zwischen Eltern und Kindern führt auch das Rollen-Dilemma in diesen Konstellationen häufig zu Missverständnissen. Das Vermischen von privaten und beruflichen Rollen ist einer der größten Stolpersteine im Nachfolgeprozess. Wann wird als Vater, Mutter, Sohn oder Tochter kommuniziert und wann aus der professionellen Rolle heraus? Diese Rollen zu erkennen und einzuhalten, fällt vielen schwer, insbesondere den älteren Familienmitgliedern.
Welche besonderen Aspekte gilt es bei der Regelung einer Praxisübergabe innerhalb der Familie zu berücksichtigen?
Die Nachfolge in Unternehmen ist immer ein komplexer Prozess. Bei einer familieninternen Übergabe kommen durch die emotionale Bindung zwischen dem Elternteil und dem Kind und die unterschiedlichen Erwartungen und Rollen zusätzliche Einflussfaktoren hinzu. Da unterscheiden sich Zahnarztpraxen nicht von anderen Familienunternehmen.
Gerade weil es in dieser Konstellation eine Gemengelange zwischen Privatem und Beruflichem, zwischen emotionalen und rationalen Beweggründen gibt, ist eine offene und ehrliche Kommunikation entscheidend.
Alle Familienmitglieder sollten ihre Erwartungen, Bedenken und Ziele bezüglich der Praxisübergabe sehr bewusst und klar kommunizieren. Um dabei mögliche familiäre Spannungen frühzeitig zu erkennen und anzugehen, empfehle ich, sich hierbei extern begleiten oder moderieren zu lassen.
Dadurch werden der Zeitpunkt des Übergangs, die Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Familienmitglieder und die Schritte zur Umsetzung des Übergangs gemeinsam schriftlich festgehalten. Das minimiert das Risiko für Missverständnisse deutlich.
Eine Besonderheit ist sicher auch die finanzielle Regelung der Nachfolge, gerade weil das Unternehmen ja in der Familie bleibt.
Wie kann man sicherstellen, die finanziellen Aspekte der Übergabe sowohl für den Abgeber und den Nachfolger oder die Nachfolgerin, als auch für mögliche Geschwister fair und gerecht zu gestalten?
Bei der Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs an einen externen Käufer richtet sich der Fokus zunächst auf eine objektive Bewertung des Unternehmens, das Ziel ist ein möglichst hoher Verkaufspreis. Das ist bei der Übergabe innerhalb der Familie anders.
Dennoch rate ich immer dazu, auch bei einem Verkauf innerhalb der Familie, den aktuellen Marktwert durch ein objektives und anerkanntes Verfahren zur Praxisbewertung ermitteln zu lassen. Denn vielen Unternehmern und Unternehmerinnen fällt es schwer, ihr Lebenswerk auf nüchterne Zahlen zu reduzieren. Das erlebe ich gerade bei kleineren inhabergeführten Unternehmen wie Zahnarztpraxen. Aber leider ist Lebensleistung kein Bewertungskriterium bei der Wertermittlung eines Unternehmens - auch nicht bei der Übergabe an den eigenen Nachwuchs.
Basierend auf einer externen Bewertung können die übergebende und die nachfolgende Generation gemeinsam den Kaufpreis verhandeln. Dabei sollten sie offen über die finanziellen Möglichkeiten der einen und die finanziellen Bedürfnisse der anderen Seite sprechen, um eine faire Einigung erzielen zu können.
Häufig gibt es Geschwister oder andere Familienmitglieder, die finanziell von der Praxisübergabe betroffen sind. Um so wichtiger sind dann klare Vereinbarungen. Dabei hilft es, alle Betroffenen mit am Tisch zu haben, um sicherzustellen, dass sich alle Familienmitglieder fair behandelt fühlen. Anderenfalls kann die Regelung der internen Nachfolge zu Neid und damit zu Konflikten innerhalb der Familie führen. Die Vereinbarungen können beispielsweise beinhalten, wie der Verkaufserlös aufgeteilt wird oder ob alternative Vermögenswerte oder Kompensationen angeboten werden.
In Kooperation mit dem Beratungsunternehmen OPTI health consulting bietet Henry Schein ein umfassendes Beratungsangebot rund um die Praxisabgabe.
Abhängig vom Zeitrahmen liegt der Fokus entweder auf der Praxiswertermittlung und der Erstellung eines Verkaufsexposés oder auf der Erarbeitung von Empfehlungen zur gezielten und rechtzeitigen Praxiswertsteigerung.
Gibt es typische Warnsignale, die zeigen: hier wäre es ratsam, eine externe Begleitung hinzuzuziehen, damit die Praxisübergabe an den eigenen Nachwuchs gelingt?
Meines Erachtens profitieren jede Familie und jedes Familienunternehmen davon, sich bei der Regelung der Nachfolge extern begleiten zu lassen. Am effizientesten ist es, sich frühzeitig Unterstützung zu suchen, bevor eventuelle Konflikte auftreten oder verhärten.
Das passiert leider nicht immer. Ein typisches Warnsignal ist, wenn die Kommunikation zwischen den Generationen nicht stattfindet oder ins Stocken gerät. Gleiches gilt, wenn der Nachfolgeprozess nicht vorankommt und sich zunehmend verzögert. Grund dafür kann das Fehlen eines konkreten Nachfolgeplans sein, was wiederum zu Unsicherheiten für die Akteure führt.
Welche Tipps können Sie zum Umgang mit dem Praxisteam geben?
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Ich glaube es ist sehr wichtig, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter früh mit in den Übergabeprozess mit einzubinden, gerade weil Praxisteams in der Regel klein sind, und das Verhältnis zum Praxisinhaber, zur Praxisinhaberin eng.
Je früher das Team von den Nachfolgeplänen erfährt, und je besser es Abgeber und Übernehmer gelingt, dabei mit einer Stimme zu sprechen, um so besser können sich die Mitarbeitenden darauf einstellen. Wer Transparenz herstellt und Fragen klärt, baut Ängste ab, die möglicherweise zu Mißstimmungen oder Kündigungen führen könnten.
Und wenn die Nachfolge geregelt ist - was sollten die abgebende Seite über den Tag der Übergabe hinaus bedenken?
Ganz typisch, aber für viele Betroffene gänzlich unerwartet, ist der Clash der Kulturen in einer gemeinsamen Übergangsphase. Ist der Nachwuchs in die Praxis eingestiegen, kommt es in der Regel zu einer Phase, in der beide Generationen zusammen tätig sind. Hier kann es zwischen den Generationen zu Reibungen kommen - oder auch mal ordentlich krachen, denn der gemeinsame Alltag zeigt die unterschiedlichen Arbeitsweisen und die eventuell noch nicht geklärten Erwartungshaltungen wie ein Brennglas auf. Dazu kommen Veränderungen, die häufig als Kritik an der bisherigen Arbeit gewertet werden, wie ein neuer Führungsstil mit flachen Hierarchien.
Hier kommt es auf gegenseitiges Verständnis an: nicht nur der scheidende Praxisinhaber, sondern beide Seiten sind gefordert, sich in die Position des jeweils anderen hineinzuversetzen.
Carola Jungwirth ist Nachfolgeberaterin für Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Als Rechtsanwältin und Coach bringt sie eine breitgefächerte Expertise für familienunternehmerische Prozesse mit.
Ihre Überzeugung:
Nur wenn Familienfrieden hergestellt ist, kann das Familienunternehmen sicher in die Zukunft geführt werden.
Hauptaugenmerk ihrer Tätigkeit liegt daher auf einem familienorientierten Konfliktmanagement und der Professionalisierung der Unternehmerfamilie. Um das zu erreichen, berät sie bei der Erstellung und Umsetzung individueller Nachfolgestrategien, coacht die NextGen zur Stärkung ihrer Rolle und begleitet Unternehmerfamilien familienstrategisch. Carola Jungwirth ist Podcasterin (Family Business Time) und Autorin.