“Welcher Intraoralscanner der Beste ist, hängt von der Indikation ab.“
Eine Besonderheit der Zahnarztpraxis Dr. Hafke u. Haensch in Hannover, in der Sebastian Hafke arbeitet, macht seine Einschätzungen zu Intraoralscannern für Kolleginnen und Kollegen besonders interessant: In der Praxis kommen sowohl Trios als auch Primescan zum Einsatz - je nach Indikation und individuellen Rahmenbedingungen der Behandlung.
In unserem Interview berichtet er über die Gestaltung des digitalen Workflows, die Stärken der digitalen Abformung in der Implantologie und natürlich über die Auswahl des richtigen Intraoralscanners.
Interview zu den Vorteilen der Scanner Trios und Primescan im Vergleich
Herr Hafke, was hat Ihre Praxis dazu bewegt, auf die Digitalisierung zu setzen?
Hafke: In unserer Praxis beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit digitalen Abformungen. Wir haben einige Erfahrung mit den verschiedenen Entwicklungen gemacht. Der Fortschritt dieser Geräte geht immer weiter und die Digitalisierung ist unumgänglich.
In unserer Praxis ist das ganze Team und auch unser eigenes Meisterlabor auf den digitalen Prozess perfekt eingestellt. Inzwischen sind wir auch Ansprechpartner für große Dentalfirmen in der Digitalisierung, Entwicklung und Verbesserung der modernen Scanner und digitalen Abformungen.
Aber es geht nicht nur um digitale Abformungen. Die gesamte Datenerfassung mit digitaler Anamnese, Röntgen, Patientenaufklärungen, Fotografie, Monitoring, Dokumentation und natürlich auch das Herstellen von Restaurationen und Versorgungen wird nicht nur beschleunigt, sondern auch vereinfacht und präzisiert.
Welche Geräte haben Sie aktuell im Einsatz?
Wir nutzen zwei verschiedene Intraoralscanner, zum einen die Primescan von Dentsply Sirona, zum anderen den Trios 3 Move von 3Shape. Für die Fertigung haben wir ebenfalls zwei Systeme im Einsatz, einerseits CEREC-Fräsmaschinen, da haben wir eine Primemill und eine MCXL, andererseits einen Tizian Cut 5 smart. Zu beiden Systemen haben wir natürlich auch die passenden Sinteröfen. Dazu kommt noch ein 3D-Drucker, der Form 3B von Formlabs, und ein Laborscanner.
Welchen Intraoralscanner bevorzugen Sie persönlich?
Das kommt auf die Situation und Indikation an. Die Intraoralscanner haben unterschiedliche Vorteile und die Entscheidung wird für jeden Patienten individuell getroffen damit ein perfekter und unkomplizierter Workflow gegeben ist. Die Qualität der Scans ist bei korrekter Durchführung bei vielen Scannern sehr präzise und es können inzwischen auch ganze Kiefer sicher gescannt werden.
Bei großen Präparationen mit vielen Zähnen verwende ich häufig den Trios, da eine Funktion zum Sperren des Scans in bereits gescannten Bereichen vorhanden ist. Beim erneuten Scannen im selben Areal können so keine Fehlüberlagerung (z.B. durch neu aufgetretenes Sulkusfluid am präparierten Nachbarzahn) entstehen.
Der 3Shape-Scanner ist sehr gut mit erweiterten Systemmöglichkeiten zu Aligner-Therapien, Monitoring etc. ausgestattet. Es liegt ein offenes Dateiformat vor, sodass die STL-Dateien offen in anderen Systemen verarbeitet werden können. Der Trios besitzt im Vergleich zu anderen Scannern einen relativ kleinen Scankopf, um in schwierigen Bereichen z.B. in der Region der 8er auch gut scannen zu können.
Zu guter Letzt kann der Scan an das Labor und an den Patienten geschickt werden. Besonders bei jungen Patienten kommt es gut an, wenn sie per App ihre Zähne auf dem Smartphone ansehen können.
Bei Chairside-Restaurationen (Inlays, Kronen und kleinen Brücken) verwende ich häufig die Primescan, da die systeminterne Weiterverarbeitung mit dem schnellen Fräsen und den Öfen sehr gut funktioniert. So lassen sich sogar Zirkonoxidversorgungen fräsen, im Speed-Ofen sintern und in der gleichen Sitzung einsetzen.
Die Primescan nimmt die zu versorgenden Zähne bei korrekter Einstellung automatisch mit besonders hoher Qualität auf und liefert bei den Präparationen eine wirklich präzise Passung. Der Scankopf ist etwas größer, nimmt dafür aber in einem breiteren Winkel die 3D-Situation sehr gut auf.
Wo liegt für Ihre Arbeit der entscheidende Mehrwert durch die digitalen Abformungen?
Beim Herstellen von Versorgungen wird mit etwas Erfahrung deutlich Zeit gespart, und auch Patienten mit weiter Anreise können in nur einer Sitzung perfekt versorgt werden.
Die Qualität ist inzwischen sehr hoch und es ist sogar wirtschaftlich sinnvoll, da man einen extra Termin für das Einsetzen spart und die Laborarbeit in der eigenen Praxis durchführen kann.
Welche Möglichkeiten ergeben sich heute durch die aktuellen Intraoralscanner, die früher noch nicht praktikabel waren?
Die Scanqualität ist über die Jahre immer besser geworden und frühere Probleme von verzogenen Ganzkiefer-Scans oder Ungenauigkeiten konnten inzwischen behoben werden. Früher war es noch nicht möglich, ganze Brücken chairside zu konstruieren.
Was heutzutage alles noch geht? Implantatversorgungen, Schnarchschienen, Kaubewegungen darstellen, Aligner-Therapien, inzwischen ist fast alles möglich. Sogar Kieferkämme haben wir für die digitale Prothesenherstellung gescannt, dieses ist aber meiner Meinung nach noch nicht als alltagstauglich anzusehen.
Wo liegen Ihrer Erfahrung nach die Grenzen der Digitalisierung in der Zahnmedizin und beim CAD/CAM gefertigten Zahnersatz?
Solange die Scanner die Präparationsgrenzen noch nicht durch die Schleimhaut erkennen können, sind sehr stark subgingivale Versorgungen quasi eine Kontraindikation. Schleimhautscans für Prothesen sind noch schwierig, da der Scanner immer Anhaltspunkte suchen muss um die vielen Scan-Bilder richtig zueinander zu matchen.
Außerdem lassen sich die für die Prothesenherstellung relevanten Funktionsbewegungen in einem einzelnen Scan nicht darstellen.
Ansonsten ist die Datengröße hin und wieder ein Thema; die Systeme müssen aufstocken. Wenn man rein digital arbeiten will, entstehen große Datenmengen. Daher ist es manchmal sinnvoll das Datenvolumen durch digitales Zuschneiden zu verringern.
Was sind die besonderen Herausforderungen bei intraoralen Scans für die Implantologie?
Absolute Indikation auch für Implantate! Es funktioniert inzwischen sogar so gut, dass man mit etwas Erfahrung ganze All-On Implantatversorgungen nach einem Scan verschraubt einsetzen kann. Frühere Verzerrungen sind hier bei gefräster Gerüstherstellung kein Thema mehr.
Der Scanbody kann bei der digitalen Abformung gescannt werden und daraus kann bei der Weiterverarbeitung genau berechnet werden, wo das Implantat im Kieferknochen liegt.
Wenn zusätzlich noch z.B. ein DICOM Datensatz aus einem DVT vorliegt kann man mit einem backward planing eine perfekte prothetische Situation entstehen lassen. Wenn das Wax-up schon in einem 3D- Datensatz gematched wird, kann man das Implantat auch prothetisch in der richtigen Achse und Position navigiert implantieren, sodass ein perfektes Ergebnis erzielt werden kann.
So konnten bei uns sogar bereits endgültige Kronen oder Brücken unter strenger Indikation vorher im Labor hergestellt werden und dann nach Implantatinsertion bei perfekter Primärstabilität und guter Compliance direkt verschraubt und langfristig suffizient versorgt werden.
Welche Aufgaben übernehmen die Behandler und welche Ihre Mitarbeiter?
Normalerweise ist der Kiefer von einem Mitarbeiter oder von einer Mitarbeiterin schon vorgescannt, wenn ich beginne. Der Zahnarzt muss den Zahn natürlich selbst präparieren. Ab dann lässt sich aber viel an Mitarbeiter delegieren.
Erfahrene Mitarbeiter können scannen und auch schon die Konstruktion der Versorgungen durch die Software anstoßen. Beides sollte aber vom Arzt genau überprüft werden. Das Einsetzen der Arbeit erfolgt wie gewohnt.
Das Angebot an Intraoralscannern wächst stetig. Nach welchen Kriterien haben Sie bzw. Ihre Praxis Ihre Systeme gewählt?
Anwenderfreundlichkeit, Qualität der Scans, Support, Workflow, Etablierung des Systems, Indikationsspektrum.
Die Zukunft wird digital stattfinden und unser Ziel ist es rein digital zu arbeiten. Dabei ist es manchmal sinnvoll auf Intraoralscanner bereits etablierter Firmen zurückzugreifen, welche Erfahrung durch mehrere Vorgängermodelle haben und einen sicheren Workflow gewährleisten, sowie ein großes Spektrum der Zahnmedizin abdecken können.
Natürlich war die Integration genannter Geräte für unser Praxisteam auch vereinfacht, da bereits Erfahrung mit bestimmten Vorgängermodellen vorhanden war.
Wichtig ist, dass die Systeme innovativ bleiben und sich auf Neuheiten und Verbesserungen einlassen, um in der Zahnmedizin weiter vorne zu bleiben und den Zahnärzten auch in Zukunft die Arbeit in allen Richtungen vereinfacht. Die Systeme, die dies am besten umsetzen, werden die Richtigen für einen Kauf sein.
Zur Person: Sebastian Hafke
- Schwerpunkte: Ästhetik, Endodontie, Parodontologie, Cerec & CAD/CAM Technologie, Digitaler Workflow, Implantologie
- Mitarbeiter im Zentrum für kraniofaziale Volumentomografie, DVT-Zentrum Hannover
- Aktuell Forschung im Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik, Implantatforschung und Entwicklung (NIFE) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
- Mitglied folgender Fachgesellschaften: DGZMK, DGZI, FVDZ e.V., ITI
- Curriculum Implantologie der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie (DGZI) begonnen: Zertifizierte Implantologie, Laserfachkunde & 3D-Volumentomographie; Weiterbildung in Akkupunktur- und Lachgasbehandlungen
- Expertennetzwerk PEERS Densply Sirona Youngstar Ausbildung
- Mitglied im International Team for Implantology