Welche Rolle spielen technologische Entwicklungen bei der Weiterentwicklung endodontischer Behandlungsmöglichkeiten?
Der technologische Fortschritt in der Endodontie erweitert das Behandlungsspektrum des Spezialisten und Generalisten gleichermaßen. Die Materialeigenschaften moderner wärmebehandelter Wurzelkanalinstrumente ermöglichen die effiziente Aufbereitung komplexer Kanalanatomien mit reduzierten Feilensequenzen bei erhöhter Sicherheit.
Neue Verfahren zur chemischen Aufbereitung und Desinfektion wie die laseraktivierte Spülung des Wurzelkanalsystems zeigen vielversprechende Ergebnisse und können den klinischen Workflow erleichtern.
Im Bereich der Obturation haben sich Sealer auf Kalziumsilikat-Basis, sogenannte biokeramische Sealer zu Recht in der Praxis etabliert. Sie ermöglichen eine sichere Obturation des Kanalsystems und sind aufgrund der vereinfachten Anwendung insbesondere für Generalisten interessant. Die Zentralstifttechnik („single cone“) in Verbindung mit Kalziumsilikat-Sealern zeigt sich ebenbürtig der warm vertikalen Kompaktion in Bezug auf die Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung, während die biologischen Eigenschaften den klassischen Epoxidharz- und Zinkoxideugenol Sealern überlegen sind.
In der endodontischen Diagnostik gewinnt die digitale Volumentomographie immer mehr an Bedeutung. Sie verbessert die Vorhersagbarkeit der Revisionstherapie und komplexer Primärbehandlungen erheblich und spielt eine ebenso wichtige Rolle im Bereich der zahnärztlichen Traumatologie. Die digitale Volumentomographie erlaubt es dem Behandler bei komplexen Fragestellungen bereits vor Therapiebeginn deutlich präziser Risiken zu bewerten, Komplikationen zu minimieren und Fälle zu selektieren.
Wie wichtig ist das klinische Verständnis der Anatomie des Wurzelkanals?
Das Modell des simplen runden Wurzelkanals entspricht in den seltensten Fällen der klinischen Realität. Meist handelt es sich um ein komplexes System aus ovalen Kanalabschnitten, Isthmen, lateralen Kanälen oder Ramifikationen.
Die Komplexität dieses Wurzelkanalsystems erfordert die vollständige chemomechanische Aufbereitung – nur ein verhältnismäßig geringer Anteil des Kanalsystems wird dabei mechanisch präpariert, während entzündetes oder nekrotisches Gewebe innerhalb solcher Irregularitäten nur mithilfe von Spülmedien entfernt werden kann.
Die mechanische Präparation mit passenden Feilensystemen bahnt hierbei nur den Weg für die chemische Aufbereitung. Ein rationales Spülprotokoll stellt deshalb die Grundlage für den Erfolg der endodontischen Therapie dar.
In welchen Zusammenhang steht die Anatomie des Wurzelkanals mit den verbesserten Eigenschaften von NiTi-Feilen?
Die Präparation der Wurzelkanäle dient dem Ziel infiziertes Dentin zu entfernen und das Kanalsystem der Reinigung und Desinfektion durch Spülflüssigkeiten zugänglich zu machen. Der Erfolg der endodontischen Therapie hängt hauptsächlich von der vollständigen Reinigung des gesamten Wurzelkanalsystems ab.
Starke Krümmungen, Kalzifikationen der Kanäle oder ähnliche anatomische Besonderheiten können die Herstellung eines adäquaten apikalen Durchmessers und Konus erschweren und stellen damit hohe Anforderungen an endotontische Feilensysteme.
Die Wärmebehandlung von Nickel-Titan-Feilensystemen kann die Materialeigenschaften entscheidend verändern, um somit durch erhöhte Flexibilität und reduzierten Rückstelleffekt iatrogene Schäden zu vermeiden.
Austenit und Martensit – was ist der klinische Unterschied zwischen austenitischen und martensitischen Feilen?
Die Begriffe Austenit und Martensit beschreiben verschiedene Phasen einer Nickel-Titan-Legierung, die sich grundsätzlich in ihren mechanischen Eigenschaften unterscheiden.
Im Fall klassischer, nicht wärmebehandelter Nickel-Titan-Legierungen befindet sich die Feile in einer stabilen austenitischen Phase – Sie ist rigide und hat ein Formgedächtnis. Die Feile hat die Tendenz, sich im Wurzelkanal gerade zu stellen und weist eine geringe Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung auf. Die Aufbereitung stark gekrümmter Kanäle birgt das Risiko der Stufenbildung, Kanalverlagerung und Instrumentenfraktur.
Durch die Wärmebehandlung von Nickel-Titan wird die martensitische Phase der Legierung stabilisiert, was zu erhöhter Flexibilität und gesteigerter Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung führt. In der martensitischen Phase weist Nickel-Titan kein Formgedächtnis auf und folgt der Kanalanatomie passiv.
Verschiedene Wärmebehandlungsverfahren führen zu unterschiedlichen Verhältnissen von austenitischer zu martensitischer Phase innerhalb der Legierung, weshalb Flexibilität und Formgedächtnis unterschiedlicher wärmebehandelter Feilensysteme stark voneinander abweichen können. Erwähnenswert ist hierbei außerdem, dass Wärmebehandlungsverfahren auch Einfluss auf die Effizienz der Feilen haben können. Dies kann dazu führen, dass die Schneidleistung reduziert ist.
Ein Beispiel sind die wärmebehandelten FireWire-Feilen von EdgeEndo. Das metallurgische Verfahren dieses Herstellers führt im Ergebnis zu einer extrem flexiblen Feile, die sich beliebig vorbiegen lässt und dem Wurzelkanalverlauf passiv folgt. Die Risiken der Kanalverlagerung, Kanalbegradigung oder Instrumentenfraktur sind drastisch reduziert, während die Effizienz der Schneidleistung erhalten bleibt.