Wurzelkanäle

Entwicklungen in der Endodontie: Neue Möglichkeiten bei komplexen Fällen

Kategorie: Endodontie
Der Endodontologe Dr. Philipp Eble erläutert die Möglichkeiten, die aktuelle technologische Entwicklungen für Generalisten und Spezialisten in der Endodontie eröffnen. Dabei legt er einen besonderen Fokus auf die Stärken moderner Feilensysteme.

Ein Gespräch mit Dr. Philipp Eble, Zahnarzt mit Tätigkeitsschwerpunkt Endodontie in Aachen

Welche Rolle spielen technologische Entwicklungen bei der Weiterentwicklung endodontischer Behandlungsmöglichkeiten? 

Der technologische Fortschritt in der Endodontie erweitert das Behandlungsspektrum des Spezialisten und Generalisten gleichermaßen. Die Materialeigenschaften moderner wärmebehandelter Wurzelkanalinstrumente ermöglichen die effiziente Aufbereitung komplexer Kanalanatomien mit reduzierten Feilensequenzen bei erhöhter Sicherheit.

Neue Verfahren zur chemischen Aufbereitung und Desinfektion wie die laseraktivierte Spülung des Wurzelkanalsystems zeigen vielversprechende Ergebnisse und können den klinischen Workflow erleichtern.

Im Bereich der Obturation haben sich Sealer auf Kalziumsilikat-Basis, sogenannte biokeramische Sealer zu Recht in der Praxis etabliert. Sie ermöglichen eine sichere Obturation des Kanalsystems und sind aufgrund der vereinfachten Anwendung insbesondere für Generalisten interessant. Die Zentralstifttechnik („single cone“) in Verbindung mit Kalziumsilikat-Sealern zeigt sich ebenbürtig der warm vertikalen Kompaktion in Bezug auf die Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung, während die biologischen Eigenschaften den klassischen Epoxidharz- und Zinkoxideugenol Sealern überlegen sind.

In der endodontischen Diagnostik gewinnt die digitale Volumentomographie immer mehr an Bedeutung. Sie verbessert die Vorhersagbarkeit der Revisionstherapie und komplexer Primärbehandlungen erheblich und spielt eine ebenso wichtige Rolle im Bereich der zahnärztlichen Traumatologie. Die digitale Volumentomographie erlaubt es dem Behandler bei komplexen Fragestellungen bereits vor Therapiebeginn deutlich präziser Risiken zu bewerten, Komplikationen zu minimieren und Fälle zu selektieren.

Wie wichtig ist das klinische Verständnis der Anatomie des Wurzelkanals? 

Das Modell des simplen runden Wurzelkanals entspricht in den seltensten Fällen der klinischen Realität. Meist handelt es sich um ein komplexes System aus ovalen Kanalabschnitten, Isthmen, lateralen Kanälen oder Ramifikationen.

Die Komplexität dieses Wurzelkanalsystems erfordert die vollständige chemomechanische Aufbereitung – nur ein verhältnismäßig geringer Anteil des Kanalsystems wird dabei mechanisch präpariert, während entzündetes oder nekrotisches Gewebe innerhalb solcher Irregularitäten nur mithilfe von Spülmedien entfernt werden kann.

Die mechanische Präparation mit passenden Feilensystemen bahnt hierbei nur den Weg für die chemische Aufbereitung. Ein rationales Spülprotokoll stellt deshalb die Grundlage für den Erfolg der endodontischen Therapie dar.

In welchen Zusammenhang steht die Anatomie des Wurzelkanals mit den verbesserten Eigenschaften von NiTi-Feilen?  

Die Präparation der Wurzelkanäle dient dem Ziel infiziertes Dentin zu entfernen und das Kanalsystem der Reinigung und Desinfektion durch Spülflüssigkeiten zugänglich zu machen. Der Erfolg der endodontischen Therapie hängt hauptsächlich von der vollständigen Reinigung des gesamten Wurzelkanalsystems ab.

Starke Krümmungen, Kalzifikationen der Kanäle oder ähnliche anatomische Besonderheiten können die Herstellung eines adäquaten apikalen Durchmessers und Konus erschweren und stellen damit hohe Anforderungen an endotontische Feilensysteme.

Die Wärmebehandlung von Nickel-Titan-Feilensystemen kann die Materialeigenschaften entscheidend verändern, um somit durch erhöhte Flexibilität und reduzierten Rückstelleffekt iatrogene Schäden zu vermeiden.

Austenit und Martensit – was ist der klinische Unterschied zwischen austenitischen und martensitischen Feilen? 

Die Begriffe Austenit und Martensit beschreiben verschiedene Phasen einer Nickel-Titan-Legierung, die sich grundsätzlich in ihren mechanischen Eigenschaften unterscheiden.

Im Fall klassischer, nicht wärmebehandelter Nickel-Titan-Legierungen befindet sich die Feile in einer stabilen austenitischen Phase – Sie ist rigide und hat ein Formgedächtnis. Die Feile hat die Tendenz, sich im Wurzelkanal gerade zu stellen und weist eine geringe Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung auf. Die Aufbereitung stark gekrümmter Kanäle birgt das Risiko der Stufenbildung, Kanalverlagerung und Instrumentenfraktur.

Durch die Wärmebehandlung von Nickel-Titan wird die martensitische Phase der Legierung stabilisiert, was zu erhöhter Flexibilität und gesteigerter Resistenz gegenüber zyklischer Ermüdung führt. In der martensitischen Phase weist Nickel-Titan kein Formgedächtnis auf und folgt der Kanalanatomie passiv.

Verschiedene Wärmebehandlungsverfahren führen zu unterschiedlichen Verhältnissen von austenitischer zu martensitischer Phase innerhalb der Legierung, weshalb Flexibilität und Formgedächtnis unterschiedlicher wärmebehandelter Feilensysteme stark voneinander abweichen können. Erwähnenswert ist hierbei außerdem, dass Wärmebehandlungsverfahren auch Einfluss auf die Effizienz der Feilen haben können. Dies kann dazu führen, dass die Schneidleistung reduziert ist.

Ein Beispiel sind die wärmebehandelten FireWire-Feilen von EdgeEndo. Das metallurgische Verfahren dieses Herstellers führt im Ergebnis zu einer extrem flexiblen Feile, die sich beliebig vorbiegen lässt und dem Wurzelkanalverlauf passiv folgt. Die Risiken der Kanalverlagerung, Kanalbegradigung oder Instrumentenfraktur sind drastisch reduziert, während die Effizienz der Schneidleistung erhalten bleibt.

Zitatzeichen
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Der Erfolg der endodontischen Therapie hängt maßgeblich von der vollständigen chemomechanischen Reinigung des gesamten Wurzelkanalsystems ab.

– Dr. Philipp Eble
Aachen

Wie bewerten Sie die Tendenz mancher Anwender zu stärker minimalinvasiven Behandlungsmethoden in der Endodontie? 

Ich unterstütze die Idee, zahnsubstanzschonend zu arbeiten, sehe jedoch auch die Problematik, dass minimalinvasive Endodontie zum Selbstzweck werden kann. Der Erfolg der endodontischen Therapie hängt maßgeblich von der vollständigen chemomechanischen Reinigung des gesamten Wurzelkanalsystems ab.

Die mechanische Präparation dient dem Ziel infiziertes Dentin zu entfernen und das Kanalsystem der Reinigung und Desinfektion durch Spülflüssigkeiten zugänglich zu machen. Dies erfordert die Aufbereitung eines adäquaten Konus und apikalen Durchmessers für einen effizienten Austausch der Spüllösung im apikalen Drittel. Ergo darf eine minimalinvasive Therapie die Desinfektion nicht kompromittieren. Ein rationales minimalinvasives Konzept schont perizervikales Dentin und strebt gleichzeitig eine adäquate apikale Präparation an.

Die Größe der Zugangskavität ist ein ebenso viel diskutiertes Thema unter Kollegen – während Studien keine eindeutigen Vorteile von minimalinvasiven Zugängen zeigen, macht es doch durchaus Sinn, die Zugangskavität so klein wie möglich zu halten. Sie sollte jedoch weiterhin so gestaltet sein, dass der Behandler einen vollständigen Überblick über das Wurzelkanalsystem erhält. Ausreichende Vergrößerung und Licht stellen hierbei einen entscheidenden Vorteil dar.

Was ist Ihre Meinung zu reduzierten Feilensequenzen?   

Moderne Feilensysteme erlauben aufgrund ihrer Geometrie und Wärmebehandlung eine Reduktion der Feilenanzahl, selbst in komplexen Fällen. Ein Großteil der Behandlungsfälle kann in der Regel mit zwei bis drei Feilen gelöst werden.

Der reduzierte maximale Feilendurchmesser und die Wärmebehandlung erhöhen die Flexibilität der Feile, ohne die Stabilität und Effizienz zu beeinträchtigen. Die Feile folgt der Kanalanatomie passiv, was das Risiko einer iatrogenen Schädigung oder Instrumentenfraktur deutlich reduziert.  

Welche Instrumente nutzen Sie bei komplexen Fällen und was sind hier Ihre Empfehlungen? 

Im klinischen Alltag hat sich für mich ein Feilensystem bewährt, das es ermöglicht, sowohl einfache, als auch komplexe Fälle mithilfe eines relativ simplen Aufbereitungsprotokolls sicher und effizient aufzubereiten.

Im Fall von schwer erschließbaren Kanälen verlasse ich mich auf die maschinelle Gleitpfaderstellung der Größen 17.04 und 17.06, die ich im Wechsel einsetze. Hierbei ist das taktile Feedback der Feile besonders wichtig. 

Die weitere Präparation erfolgt in der Regel bereits mit einer Feile der Größe 25.06, gefolgt von der abschließenden finalen Präparation – hierzu verwende ich  04 oder 06er Taper, je nach anatomischer Situation und Infektionsgrad des Endodonts.

Die Geometrie und die Materialeigenschaften moderner Feilen bringen dabei viele Vorteile. Ein verringerter maximale Querschnitt der Feile erlaubt selbst bei Präparation großer apikaler Durchmesser die Substanzschonung des perizervikalen Dentins, während die Flexibilität und Effizienz der Wärmebehandlung selbst in schwer erschließbaren oder multiplanar gekrümmten Kanälen die Reduktion der Feilenzahl ermöglicht.  


Über den Interview-Partner

Dr. Philipp EbleDr. Philipp Eble ist angestellter Zahnarzt in Aachen

  • 2015 Staatsexamen RWTH Aachen
  • 2019 Curriculum Endodontie der DGET
  • Zertifiziertes Mitglied der DGET
  • Ausschließliche Tätigkeit in mikroskopischer Endodontie

Weitere Informationen über Dr. Philipp Eble unter https://www.euregio-endodontie.de


Überblick: Alle Feilen von EdgeEndo
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vom 10.09.2022
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