Frau Jungwirth, Sie haben in Ihrer Arbeit viele unterschiedliche Unternehmen und vermutlich auch Konflikte kennengelernt. Gibt es typische Fehler der abgebenden Generation, die Sie bei innerfamiliären Unternehmensnachfolgen beobachten?
Ja, das habe ich. Auch wenn jede interne Nachfolge sehr individuell ist, weil jede Unternehmerfamilie und ihre Konstellation auf ihre Art einzigartig ist, gibt es bei Übergaben innerhalb der Familie einige typische Stolpersteine oder Missverständnisse, die dabei für die übergebende Generation auftauchen können. Für inhabergeführte Unternehmen wie Zahnarztpraxen würde ich die folgenden Aspekte nennen:
Zuallererst die mangelnde oder unklare Kommunikation über die Nachfolge im Familienunternehmen. Die anstehende Übergabe wird oft zu spät oder gar nicht im Familienkreis thematisiert, die gegenseitigen Erwartungen werden unzureichend formuliert.
Schwierig wird es auch, wenn die konkrete Planung der Nachfolge hinausgezögert wird. Gerade bei inhabergeführten Unternehmen kann das an der fehlenden Bereitschaft der abgebenden Generation liegen, das eigene Lebenswerk wirklich loszulassen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
Neben der fehlenden Kommunikation zwischen Eltern und Kindern führt auch das Rollen-Dilemma in diesen Konstellationen häufig zu Missverständnissen. Das Vermischen von privaten und beruflichen Rollen ist einer der größten Stolpersteine im Nachfolgeprozess. Wann wird als Vater, Mutter, Sohn oder Tochter kommuniziert und wann aus der professionellen Rolle heraus? Diese Rollen zu erkennen und einzuhalten, fällt vielen schwer, insbesondere den älteren Familienmitgliedern.
Welche besonderen Aspekte gilt es bei der Regelung einer Praxisübergabe innerhalb der Familie zu berücksichtigen?
Die Nachfolge in Unternehmen ist immer ein komplexer Prozess. Bei einer familieninternen Übergabe kommen durch die emotionale Bindung zwischen dem Elternteil und dem Kind und die unterschiedlichen Erwartungen und Rollen zusätzliche Einflussfaktoren hinzu. Da unterscheiden sich Zahnarztpraxen nicht von anderen Familienunternehmen.
Gerade weil es in dieser Konstellation eine Gemengelange zwischen Privatem und Beruflichem, zwischen emotionalen und rationalen Beweggründen gibt, ist eine offene und ehrliche Kommunikation entscheidend.
Alle Familienmitglieder sollten ihre Erwartungen, Bedenken und Ziele bezüglich der Praxisübergabe sehr bewusst und klar kommunizieren. Um dabei mögliche familiäre Spannungen frühzeitig zu erkennen und anzugehen, empfehle ich, sich hierbei extern begleiten oder moderieren zu lassen.
Dadurch werden der Zeitpunkt des Übergangs, die Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Familienmitglieder und die Schritte zur Umsetzung des Übergangs gemeinsam schriftlich festgehalten. Das minimiert das Risiko für Missverständnisse deutlich.
Eine Besonderheit ist sicher auch die finanzielle Regelung der Nachfolge, gerade weil das Unternehmen ja in der Familie bleibt.
Wie kann man sicherstellen, die finanziellen Aspekte der Übergabe sowohl für den Abgeber und den Nachfolger oder die Nachfolgerin, als auch für mögliche Geschwister fair und gerecht zu gestalten?
Bei der Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs an einen externen Käufer richtet sich der Fokus zunächst auf eine objektive Bewertung des Unternehmens, das Ziel ist ein möglichst hoher Verkaufspreis. Das ist bei der Übergabe innerhalb der Familie anders.
Dennoch rate ich immer dazu, auch bei einem Verkauf innerhalb der Familie, den aktuellen Marktwert durch ein objektives und anerkanntes Verfahren zur Praxisbewertung ermitteln zu lassen. Denn vielen Unternehmern und Unternehmerinnen fällt es schwer, ihr Lebenswerk auf nüchterne Zahlen zu reduzieren. Das erlebe ich gerade bei kleineren inhabergeführten Unternehmen wie Zahnarztpraxen. Aber leider ist Lebensleistung kein Bewertungskriterium bei der Wertermittlung eines Unternehmens - auch nicht bei der Übergabe an den eigenen Nachwuchs.
Basierend auf einer externen Bewertung können die übergebende und die nachfolgende Generation gemeinsam den Kaufpreis verhandeln. Dabei sollten sie offen über die finanziellen Möglichkeiten der einen und die finanziellen Bedürfnisse der anderen Seite sprechen, um eine faire Einigung erzielen zu können.
Häufig gibt es Geschwister oder andere Familienmitglieder, die finanziell von der Praxisübergabe betroffen sind. Um so wichtiger sind dann klare Vereinbarungen. Dabei hilft es, alle Betroffenen mit am Tisch zu haben, um sicherzustellen, dass sich alle Familienmitglieder fair behandelt fühlen. Anderenfalls kann die Regelung der internen Nachfolge zu Neid und damit zu Konflikten innerhalb der Familie führen. Die Vereinbarungen können beispielsweise beinhalten, wie der Verkaufserlös aufgeteilt wird oder ob alternative Vermögenswerte oder Kompensationen angeboten werden.