Zwei Frontzähne mit Verfärbungen und Schäden links, restauriert und weiß rechts.

Anwenderbericht: Die Infiltrationstechnik für MIH mit Abrasion

Kategorie: Materialien Praxis
Das Infiltrationskonzept (Icon) ist sehr effektiv bei der Infiltration von hypomineralisiertem Schmelz mit kariösem Ursprung. Ist es auch in Fällen von Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) wirksam? Ein Fallbeispiel des niederländischen Zahnarztes Dr. Erik-Jan Muts gibt Aufschluss.

Bei dem acht Jahre alten Freek ist MIH in ausgeprägter Form auf den beiden zentralen Inzisiven diagnostiziert worden. Die komplette Oberfläche des Schmelzes war betroffen. Vor der Infiltrationsbehandlung mit Icon Vestibular entschied sich der Zahnarzt für ein Bleaching. Bei der eigentlichen Infiltration wurde die Oberflächenschicht vor dem Ätzen mit HCI-Gel zunächst per Abrasion vorbehandelt. Wie die Zahnbehandlung bei Freek im Detail ablief, beschreibt Dr. Muts im folgenden Anwenderbericht:

Diagnose

Freek (8) wurde mit einer Verfärbung an seinen beiden zentralen Inzisiven überwiesen: 11 und 21. Aufgrund der Hypomineralisation der ersten permanenten Molaren wurde eine Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) als Ursache für die Schmelzdefekte in den zentralen Schneidezahnen diagnostiziert. Die Hypomineralisation erstreckte sich vollständig auf die Oberfläche des Schmelzes. Wir wissen, dass sich bei MIH die Hypomineralisation bis zur Dentin-Schmelz-Grenze erstreckt (DEJ). Daher waren die Läsionen in diesem Fall so dick wie der Schmelz. (Abb. 1, 2)

Abb.1: Läsionen auf 11 und 21 zeigen gelbe und weiße Läsionen.
Abb. 2: Nahaufnahme von 11.
Kinderzahnmedizin: MIH behandeln mit Icon Vestibular
Durch Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) bedingte Schmerzläsionen betreffen vor allem Kinder. Eine Infiltration ist nahezu schmerzfrei.
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Bleaching

Um eine bessere Farbe für die Hypomineralisationen zu erzielen, wurde ein Bleaching mit zehnprozentigem Carbamidperoxid über fünf Tage für täglich nur zwei Stunden durchgeführt. Carbamidperoxid zerfällt bei Kontakt mit Wasser in Wasserstoffperoxid und Harnstoff. Wasserstoffperoxid ist für die Oxidation der Doppelbindungen der Chromogene verantwortlich und verursacht den Bleicheffekt. Ein weiterer sehr wichtiger Effekt von Carbamidperoxid ist die denaturierende Wirkung des Harnstoffs. Dies gewährleistet später einen guten Infiltrationsvorgang.

Nach fünf Tagen Bleichen wurde das Ergebnis begutachtet und es wurde zu weiteren fünf Tagen Bleichen geraten. Das Ergebnis nach zehn Tagen war zufriedenstellend und nach einer vierwöchigen Pause wurde die Infiltrationsbehandlung geplant, um sicherzustellen, dass kein oxidativer Stress mehr bestand und eine gute Adhäsion möglich war. (Abb. 3, 4)

Abb. 3: Situation nach 5 Tagen Bleichen mit 10%igem Carbamidperoxid.
Abb. 4: Situation nach 10 Tagen Bleichen mit 10%igem Carbamidperoxid.

Infiltration

Nach topischer Anästhesie der Gingiva wurde eine Kofferdam-Isolation durchgeführt. Da sich die Läsion auf die Schmelzoberfläche ausdehnte, begannen wir mit einer mikro-abrasiven Suspension mit Bimsstein und 35-prozentiger Phosphorsäure, gemischt im Verhältnis 1:1. Es wurde ein spezieller Gummikelch mit einer innenliegenden Bürste verwendet, und die Suspension wurde bei jeder Anwendung 60 Sekunden lang aufgetragen.

Bei dieser Anwendung erwartete man einen Abtrag von circa 10-20 Mikrometern an gesundem Schmelz, je nach angewandter Kraft. Da der oberflächliche Schmelz bereits hypomineralisiert ist, gingen wir davon aus, dass die Abrasivität viel höher sein würde. (Abb. 5, 6)

Abb. 5: Kofferdam-Isolation mithilfe von Ligaturen aus Zahnseide.
Abb. 6: Mikroabrasion mit einer Mischung aus Phosphorsäure und Bimsstein.

Nach jeder Anwendung wurde gründlich mit Wasser gespült und nach vier Anwendungen wurde die Durchlässigkeit mit Ethanol überprüft. Die Durchlässigkeit war schon ziemlich gut, aber immer noch nicht gut genug. Bei der Anwendung von Ethanol ist es wichtig, dieses verdunsten zu lassen, um der Flüssigkeit genügend Zeit zu geben, die volle Infiltrationsfähigkeit zu entfalten. (Abb. 7, 8)

Abb. 7: Auftragen von Ethanol mit dem speziellen Tip.
Abb. 8: Nach 20 Sekunden zeigt das Ethanol nun die volle Infiltrationskapazität.

Da mehr Durchlässigkeit erforderlich war, wurden zwei weitere Anwendungen mit 15-prozentigem HCI für 120 Sekunden durchgeführt. Bei jeder Anwendung wurden ca. 40 Mikrometer gesunder Schmelz entfernt, wobei zu beachten ist, dass hypomineralisierter Schmelz durch Salzsäure aggressiver entfernt wird.

Nach der zweiten Behandlung zeigte die Ethanolanwendung volle Durchlässigkeit, sodass die Infiltration durchgeführt werden konnte. (Abb. 9, 10)

Abb. 9: Anwendung von Salzsäure für 120 Sekunden.
Abb. 10: Ethanol zeigt volle Durchlässigkeit, bereit zur Infiltration.

Die Infiltration wurde für circa 15 Minuten durchgeführt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Nach zehn Minuten waren noch einige nicht infiltrierte Bereiche mit dem Mikroskop zu sehen. Die Infiltration wird bei schwachen Lichtverhältnissen durchgeführt, um ein vorzeitiges Aushärten des Infiltrationsmittels zu verhindern. Nach Abschluss der Infiltration wird die Läsion für 40 Sekunden lichtgehärtet. (Abb. 11, 12)

Abb. 11: Auftragen des Infiltranten, der Infiltrant wurde alle 5 Minuten erneut aufgetragen.
Abb 12: Ergebnis direkt nach der Lichthärtung.

Restauration

Um die Form und Textur beider Zähne wiederherzustellen, war die Anwendung von Composite erforderlich. Für eine optimale Haftung wurde der infiltrierte Schmelz sehr kurz mit Luft gereinigt, mit 35-prozentiger Phosphorsäure geätzt und mit einem Total-Etch-System gebondet.

Nach der Lichthärtung (20 Sekunden) wurde Composite aufgetragen und nach einer weiteren Lichthärtung (40 Sekunden) wurde die Restauration fertiggestellt, poliert und erneut mit Glyceringel ausgehärtet. (Abb. 13, 14)

Abb 13: Restauration des fehlenden Zahnschmelzes mit Composite.
Abb. 14: Nach der Fertigstellung und dem Polieren.

Evaluierung

Nach zwei Wochen wurde das Ergebnis begutachtet. Sowohl der Patient als auch seine Eltern waren mit dem Endergebnis sehr zufrieden. Wenn sich die Hypomineralisation auf die Schmelzoberfläche erstreckt, ist es nicht immer notwendig, eine sehr aggressive Mikroabrasion durchzuführen. In diesem Fall haben wir eine milde Schleifpaste verwendet, um so minimalinvasiv wie möglich zu arbeiten. (Abb.15, 16)

Abb. 15: Endergebnis von 11 (Nahaufnahme)
Abb. 16: Endergebnis nach Infiltration von 11 und 21.

Zur Person:

Dr. Erik-Jan Muts ist Zahnarzt mit Schwerpunkt auf rekonstruktiver und ästhetischer Zahnmedizin.

vom 18.11.2025
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