Intraorale Abformung im Dentallabor? Im Gespräch mit dem Dentallabor Pohl
Warum als Dentallabor in den Intraoralscanner investieren? Diese und ähnliche Fragen stehen häufig im Raum. Bei einem Gespräch mit Christin, Helga und Jörg Pohl (Dentallabor Pohl, Senden) wird klar: Es geht um mehr als „nur“ den Ersatz der klassischen Abformung.
Die Intraorale Abformung etabliert sich zum digitalen Dreh- und Angelpunkt im digitalen Workflow zwischen Praxis und Labor.
Die digitale Abformung ist nur eine Seite der Digitalisierung. Auf der anderen Seite steht eine neue Arbeits- und Denkweise. Nur wer die veränderten Prozessketten versteht, gewinnt als Labor durch zahlreiche Vorteile.
Seit vier Jahren arbeitet das Dentallabor Pohl mit dentalen Scannern und einem durchdachten Digital Workspace. Im Interview berichten Sie von ihren Erfahrungen.
Sie setzen in Ihrem Dentallabor stark auf die Digitalisierung. Warum?
Da lohnt sich ein kurzer Rückblick. Wir waren früher ein Labor mit mehr als 30 Mitarbeitern, davon etwa 20 Zahntechniker. Doch der Fachkräftemangel stellte uns vor Herausforderungen. Wir haben auf digitale Technologien – zunächst CAD/CAM-Fertigung – umgestellt und konnten die Produktivität erheblich steigern. Heute beschäftigen wir um die zehn Zahntechniker, setzen jedoch ein vergleichbares Arbeitsvolumen um. Zugleich haben wir weniger Reklamationen und höhere Kundenzufriedenheit.
Der Intraoralscanner in unserem Dentallabor bot für uns die Gelegenheit, den gesamten Workflow zu digitalisieren und die Zahnärzte ins Boot zu holen. Wir haben die Scanner gekauft und schnell gemerkt, wo die echten Vorteile liegen.
Sie als Dentallabor stellen Zahnarztkunden den Intraoralscanner zur Verfügung. Wie ist der Ablauf?
Wir haben drei Scanner. Der Zahnarzt kann ein Gerät bei uns ausleihen; manche Praxen haben einen sogenannten Scan-Day eingerichtet, zu dem viele Patienten einbestellt werden. Alternativ bieten wir die Unterstützung beim Scannen in der Praxis an. Eine Kollegin von uns fährt mit dem Intraoralscanner in die Zahnarztpraxis und betreut vor Ort.
Über ein Online-Buchungssystem (DSGVO-konform) können sich Zahnarztpraxen den Scanner tageweise buchen. Schnell, unkompliziert und smart – das Dentallabor Pohl setzt in fast allen Bereichen auf digitale Prozesse.
Warum haben die Praxen nicht selbst in die Scanner investiert?
Theoretisch ist der Intraoralscanner ein „Werkzeug“ für die Zahnarztpraxis. Letztlich profitieren jedoch wir als Labor sehr stark. Dadurch, dass wir dem Zahnarzt den Scanner zur Verfügung stellen, arbeiten wir enger und intensiver miteinander.
Wir nutzen einen Remote-Service, sodass sich der Zahnarzt auf unseren Rechner einwählen kann oder wir auf seinen. Wir können quasi live die Situation im Mund des Patienten sehen. Dieser zielorientierte, unmittelbare Austausch bringt bemerkenswerte Qualitätsvorteile. Nacharbeiten haben sich auf ein Minimum reduziert. Daraus resultieren auch eine hohe Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.
Rechnet sich für das Dentallabor die Investition in die Geräte?
Viele Zahnärzte und Zahntechniker sehen zunächst nur den finanziellen Aspekt bzw. die Initialkosten für den Scanner. „Das lohnt sich für mich nicht“, hören wir oft. Betrachtet man jedoch den Nutzen des kompletten Prozesses, wird deutlich, dass es sich auf jeden Fall lohnt – auch wirtschaftlich. Abformmaterial, Gips, Versandfahrten, Reklamationen, Nacharbeiten … – viele Dinge entfallen.
Zahnärzte, die mit dem Intraoralscanner arbeiten, sind einfach nur begeistert. Komfortable Zeitersparnis, höhere Präzision, auffallend verbesserte Patientenzufriedenheit und -bindung sowie viele Zusatztools für Anamnese und Diagnostik … – aus unserer Sicht gleichen die zahlreichen Vorzüge das finanzielle Investment locker aus.
Etwas mehr als 30 Prozent unserer Zahnarztkunden arbeiten bereits heute mit dem Intraoralscanner – Tendenz steigend.
– Helga Pohl
Dentallabor Pohl
Wie begleiten Sie Zahnärzte auf dem Weg in die Digitalisierung?
Wir richten uns nach den Bedürfnissen der Praxis. Für Einsteiger organisieren wir Schulungen, an denen Zahnärzte und Praxismitarbeiter teilnehmen.
Gezeigt und geübt wird das Arbeiten mit dem Intraoralscanner. Oft stellen wir Berührungsängste fest. Es ist jedoch nur eine Übungssache; nach wenigen Übungsscans funktioniert der Ablauf gut und wird immer besser.
Das größte Problem bei der Digitalisierung der Prozesse ist der Mensch. Kaum macht man es richtig, schon funktioniert’s.
– Helga Pohl
Dentallabor Pohl
Was konkret bietet Ihnen der digitale Workflow, was vorher nicht möglich war?
Das sind viele Dinge. Zum Beispiel: Wir arbeiten größtenteils vollanatomisch. Basierend auf dem Datensatz konstruieren wir den Zahnersatz und können dem Zahnarzt über den Remote-Service darstellen, wie das Ergebnis aussehen wird. Bevor wir etwas produzieren, wird das Ziel besprochen. Oft erhält der Patient den Link zum CAD-Design. Wir schauen uns gemeinsam auf dem Rechner seine neuen (noch virtuellen) Zähne an.
Vorteil des digitalen Workflows ist auch das Prüfen der Funktion und Ästhetik über ein Mock-up. Das machen wir häufig bei komplexen Restaurationen. Wir erhalten den Datensatz, konstruieren die Zähne vollanatomisch und fräsen den Zahnersatz aus PMMA. Der Patient trägt die Restauration zur Probe. Haben wir bzw. der Zahnarzt nach einer gewissen Tragezeit die Sicherheit, dass alles passt, fräsen wir die definitive Restauration. Gegebenenfalls können wir über das Matching der Daten Korrekturen vornehmen.
Wir fertigen kaum noch Einproben, sondern stellen Restaurationen – manchmal sogar Kombi-Arbeiten – direkt fertig. Das ist ein unschlagbarer Effizienzvorteil für Patienten, Zahnarzt und uns.
– Helga Pohl
Dentallabor Pohl
Für welche Indikationen wird der Intraoralscanner hauptsächlich genutzt?
Kürzer wäre die Antwort auf die Frage, für welche Indikationen wird der Scanner NICHT genutzt. Theoretisch können mit dem Intraoralscanner so gut wie jede Indikation abgedeckt werden. Drei unserer Zahnarztkunden nutzen ausschließlich den Intraoralscanner – ganz gleich ob festsitzende Restauration, Totalprothese, Implantatprothetik oder Kombi-Arbeit.
Nun wächst das Angebot an Intraoralscannern stetig. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Systeme ausgewählt?
Hier sind wir mit den Experten von Henry Schein gut beraten, die uns auf unserem Weg begleitet haben und auch heute immer unterstützen. Bei der Auswahl des passenden Intraoralscan-Systems war uns ein modernes System wichtig, welches in das digitale Interface unseres Labors passt. Eine solche Entscheidung obliegt der vorhandenen CAD/CAM-Infrastruktur.
Was müssen Laborinhaber bedenken, wenn Sie einen ähnlichen Weg gehen wollen wie Sie?
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Sich auf die Digitalisierung einzulassen, bedarf Mut … und auch den Mut, mal zu scheitern. Man sollte sich nicht von seinen Ängsten bestimmen lassen; das wäre der falsche Weg.
Benötigt wird zudem die Bereitschaft, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Letztlich ist es ein Gewinn, sich darüber hinwegzusetzen und weiter konsequent das Ziel zu verfolgen.
Liebe Familie Pohl, vielen Dank für das Gespräch.
Annett Kieschnick, freie Fachjournalistin, Berlin
Das Beispiel zeigt, dass es für Labore durchaus möglich ist, ihren Zahnarztkunden den digitalen Weg zu bereiten. Ich erlebe im Gespräch mit Praxisinhabern häufig Berührungsängste, wenn es um die digitale Abformung geht. Manchmal geht es dabei um die Kosten und finanziellen Risiken, häufiger aber noch um die mangelnde Erfahrung im Umgang mit der CAD/CAM-Technologie. Wenn Dentallabore mit ihrem Know-how die Zahnärzte beim Einstieg in die digitale Abformung unterstützen, dann können beide Seiten enorm profitieren.
– Max Müller
Senior Manager Projektmanagement ConnectDental, CAD/CAM Spezialist