Hybridisierende Wärmebehandlung bei der Wurzelkanalaufbereitung

Hybridisierende Wärmebehandlung: endodontische Feilen kombinieren

Kategorie: Endodontie
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Anhand eines Patientenfalles wird die kombinierte Anwendung von wärmebehandelten und nicht-wärmebehandelten Feilen im Rahmen der Wurzelkanalaufbereitung beschrieben. Durch diese Kombination von ähnlichen Feileninstrumenten, die aufgrund ihres Herstellungsprozesses unterschiedliche Eigenschaften aufweisen (hybridisierende Wärmebehandlung), können die Vorteile der Herstellungsverfahren optimal genutzt werden.

Fallstudie aus der Endodontie: Eine 42-jährige Patientin klagte über starke Schmerzen im unteren Seitenzahnbereich nach einer Kronenfraktur. Die klinische und radiologische Untersuchung zeigte eine disto-okklusale Karies am Zahn 36 (Abb. 1) und ein freigelegtes distales Pulpenhorn. Der Zahn reagierte hochsensibel auf den thermischen Kältetest. Es wurde eine akute Pulpitis diagnostiziert. Die Patientin akzeptierte den Vorschlag einer endodontischen orthograden Behandlung.

Überlegungen zum Wurzelkanalzugang

Nach minimalinvasiven Grundsätzen wurde eine distale Zugangskavität gestaltet, um einen unnötigen Verlust von Zahnhartsubstanz zu vermeiden. Die Entscheidung war ein Kompromiss zwischen den Vorteilen eines breiten, geradlinigen Zugangs (bei komplexen engen Krümmungen wie im vorliegenden Fall ideal) und den Nachteilen, die sich durch die Schwächung der Restzahnsubstanz ergeben.

Da die mesialen Anteile des Zahnes 36 intakt waren, sollte der Zahn gemäß minimalinvasiven endodontischen Protokollen erhalten bleiben. Zudem ist ein geradliniges Einführen von endodontischen Nickel-Titan(NiTi)-Rotationsfeilen nicht immer möglich und insbesondere dann erschwert, wenn ein Molar leicht distal geneigt ist; so wie im vorliegenden Fall.

Solche komplexen Wurzelkanalkonfigurationen erfordern hohe Aufmerksamkeit bei der Planung des endodontischen Zugangs. Durch zahlreiche Kanalkrümmungen sind rotierende NiTi-Instrumente einer hohen Biegebelastung ausgesetzt. Erforderlich ist eine gewisse Flexibilität der Feilen, um iatrogene Faktoren zu vermeiden.

Überlegungen zum Feilensystem

Im vorliegenden Fall waren aufgrund der komplexen Kanalstruktur flexible, wärmebehandelte NiTi-Feilen mit Controlled Memory-Effekt ideal geeignet. Die Instrumente sollten zudem variable Kegel (Verjüngung am Taper) haben, um den Taper-Lock (Einschraubeffekt) zu minimieren. Außerdem schien es wichtig, dass die gewählten Instrumente den Torsionsbelastungen in engen Kanälen standhalten.

Nach Abwägung aller Möglichkeiten fiel die Wahl auf die Endo-Feile EdgeTaper Platinum (ETP) von EdgeEndo (Albuquerque, NM). Die wärmebehandelte NiTi-Legierung der Feile erfüllt alle geforderten Eigenschaften. Das Instrument ist widerstandsfähig und flexibel, sodass ein leichteres Einbringen in die Kanalgeometrie möglich ist. Das Legen einer breiteren Zugangskavität kann somit umgangen werden.

Nach dem Legen des manuellen Gleitpfades mit der Edelstahl-K-Feile (bis Größe 15) und der Arbeitslängenbestimmung mit dem elektronischen Apex-Locator wurden die flexiblen ETP-Feilen in folgender Reihenfolge verwendet: S1, S2, F1, F2. Alle Instrumente erreichten die volle Arbeitslänge, wobei sie sanft mit 300 U/min (und 2N Drehmoment) gedreht wurden. So konnte eine Überlastung effektiv vermieden werden.

Zwei entscheidende operative Faktoren:

  1. Die Instrumente wurden während der Einwärtsbewegung langsam und schrittweise vorgeschoben (nicht mehr als 1 bis 2 mm Vorschub pro Schritt). Nach jedem Schritt wurden die Feilen aus den Kanälen entfernt, gereinigt und eine Spülung des Kanals vorgenommen. Eine solche vorsichtige Progression ermöglicht es, übermäßige Reibung zu vermeiden und reduziert die Debris. Das häufige Spülen unterstützt zudem das gründliche Entfernen von infiziertem Gewebe und verbessert den Reinigungseffekt.
  2. Die Auswärtsbewegung zur koronalen Kanalaufweitung hätte theoretisch mit dem gleichen ETP-Instrument erfolgen können. Allerdings wurden für die S1- und S2-Instrumente die etwas steifer rotierenden EdgeTaper(ET)-Feilen gewählt. Die ET-Instrumente haben das gleiche Design wie ETP, wurden aber keiner Wärmebehandlung unterzogen. Somit sind sie steifer und effizienter beim Schneiden. Dies ermöglichte eine schnellere und validere koronale Aufweitung. Die ET wurden mit einer Auswärtsbewegung („Bürsten“), einer erhöhten Drehzahl (500 U/min) und einem reduzierten Drehmoment (1,5 N) verwendet.

Durch die Eliminierung koronaler Interferenzen und die Vergrößerung des Kanaldurchmessers machten die steiferen ET die apikale Präparation mit den flexiblen ETP sicherer (Abb. 2 und 3). Die Bewegung nach außen erwies sich mit minimalen Torsions- und Biegebelastungen der rotierenden NiTi-Instrumente als sicher; vorausgesetzt, die Instrumente rasten im Kanal nie vollständig ein oder blockieren. Die innovative Kombination von ähnlichen Instrumenten (ET und ETP) mit unterschiedlichen Eigenschaften (abhängig vom Herstellungsprozess) wird als „hybridisierende Wärmebehandlungstechnik“ bezeichnet und wurde hier unter Verwendung der oben erwähnten Instrumente vorgenommen.

Die Abbildungen 3 und 4 zeigen das Ergebnis der endodontischen Behandlung. Die Kanalgeometrie konnte exakt eingehalten werden. Die korrekte Formgebung (Kanaldurchmesser können in 3D-Bildern besser eingeschätzt werden) wurde schnell und einfach während einer 45-minütigen Wurzelkanalbehandlung in einer Sitzung vorgenommen; ohne iatrogene Fehler, ohne Verformung oder Bruch der Instrumente.

Abschließend wurden die Kanäle mit einer Kalthydrauliktechnik unter Verwendung von Bioceramic Sealer (BC Sealer, BUSA, USA), ein Material, das eine einfache und schnelle Lösung bietet, obturiert.

Autor: Prof. Gianluca Gambarin

Zur Person: Prof. Gianluca Gambarini

Prof. Gambarini über hybridisierende Wärmebehandlung

Prof. Gianluca Gambarini, MD, DDS: Vollzeit-Professor; Leiter der Endodontie und Wiederherstellung, Universität Rom, La Sapienza, Zahnmedizinische Fakultät; Direktor der Master of Endodontics in Sapienza.

Der internationale Dozent und Forscher ist Autor von mehr als 500 wissenschaftlichen Artikeln. Er war als Hauptsprecher weltweit als Dozent tätig (ca. 600 Präsentationen) auf den wichtigsten internationalen Kongressen und sowie an vielen Universitäten weltweit.

Während seiner akademischen Karriere hat er viele Auszeichnungen und Anerkennungen erhalten und war verantwortlich für viele wissenschaftliche Projekte mit nationalen und internationalen Auszeichnungen. Prof. Gambarini hat seine Interessen auf endodontische Materialien und klinische Endodontie fokussiert.  Er ist außerdem aktiv als Berater zur Entwicklung neuer Technologien, operative Verfahren und Materialien zur Wurzelkanalbehandlung tätig und ist im Besitz vieler Patente bezüglich endodontischer Technologien.

Prof. Gambarini ist Vorstandsmitglied der ESE und Vorstand des Clinical Practice Committee und führt eine Privatpraxis in Rom, Italien, die sich auf Endodontie beschränkt.

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Prof. Gianluca Gambarini hat uns ein Interview zu Trends und Neuerungen in der Endodontie gegeben > Eigenschaften moderner Endodontie-Feilen.

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vom 30.06.2021
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